Neue Freunde, alte Feinde

– Reisetagebuch von Bruder Fahlon –
Priester des Tempels zur Gottheit Martu in Sonnengrad,

Hauptstadt des Kaiserreiches Drea
und Chronist der Garde

Jahr 20 L.R.

Der ganz normale Alltag auf Nebelwacht hatte wieder begonnen. Ich war nun schon seit ein paar Tagen zurück und genoss die Ruhe, die mir meine vertrauten Aufgaben bescherten. Wie so oft in meinem ereignisreichen Leben, sollte diese Ruhe jedoch nur von kurzer Dauer sein. Ein fremder Mann kam auf das Gelände und rief um Hilfe. Sofort schwärmten die Heiler aus und versorgten den Verwundeten mit routinierten Handgriffen. Wie sich herausstellte war der Mann von Unbekannten angegriffen worden, als er auf dem Weg nach Nebelwacht war. Er war gemeinsam mit einem anderen Mann und einer Frau von Elsa begleitet worden. Das mussten die Alchemisten sein!

Laros Ritterprüfungen waren inzwischen schon weit voran geschritten und ich fand, dass es an der Zeit war, die Prüfung zur Gottheit Martu abzulegen. Ich hatte also meine Kontakte zum Tempel genutzt, um bei der Alchemistengilde anzufragen. Zwei nette Herren hatten sich bereit erklärt nach Nebelwacht zu reisen und dort Laros Prüfung abzunehmen. Elsa, die in Freitor unterwegs war und ebenfalls Kontakt zur Gilde aufgenommen hatte, sollte die beiden Herren begleiten. Die beiden Meister-Alchemisten und ihre Begleiterin hatten viel Gepäck dabei und so waren sie leider leichte Beute gewesen. Zum Glück war der Überfall in unserer Nähe geschehen, so dass die Verwundeten direkt versorgt werden konnten, aber beunruhigend war es dennoch.

Wir hatten uns gerade von dem Schock erholt – die Neuankömmlinge waren versorgt und ruhten sich aus, als eine weitere Gestalt auftauchte. Klein wie sie war, mit einem vollen Bart und einem selbstbestimmten Auftreten, war sofort klar, dass es sich um eine Zwergin handeln musste. Sie wirkte uns gegenüber nicht feindlich gesinnt und wurde freundlich begrüßt und befragt. Mein Interesse wurde geweckt, als sie erzählte, sie käme aus dem Norden. Wir waren der Norden. Nördlich von Nebelwacht lag der Wildlingswald und unbekanntes Gebiet… Dennoch bestand sie darauf aus der Zwergenhauptstadt Grimsvötn weit im Norden zu kommen. Sedrick bat die Fremde zu sich und gemeinsam mit seinen Offizieren ging er der Sache nach. Mir blieb also vorerst nichts übrig, als zu warten.

Am nächsten Morgen tat die Burg ihrem Namen alle Ehre. Nebelwacht war umzogen von dichten dicken Nebelschwaden. Dennoch wurden die Gardisten aufgerufen zu trainieren. Die Alchemisten bauten ihre Utensilien auf und wir hielten in der Zeit ein kleines Gwent-Turnier ab, bei dem auch die Zwergin teilnahm. Friega, so ihr Name, war nun Gast bei uns und galt als Abgesandte der Zwergenkönigin. Ich hatte am vorherigen Abend noch kurz Zeit gehabt mit ihr zu sprechen und erfahren, dass es weit im Norden wohl ein Zwergenreich geben soll. Die Hauptstadt Grimsvötn wird von der Zwergenkönigin regiert. Friega war selbst überrascht, als sie auf uns traf. Sie sagte, sie wäre nie so weit im Süden gewesen und habe noch nie jemanden getroffen, außer Wildlingen und Elfen. Elfen! Soweit mir bekannt war lebten gar keine Elfen mehr auf Saltan. Konnte ein Zusammenhang zu den Ereignissen um Feilbach bestehen? Noch argwöhnischer wurde ich, als sie berichtete, dass sie auf der Suche nach einem Diadem für ihre Königin sei. Sie zeigte mir eine Zeichnung des Diadems und mir fielen sofort die geschwungenen, filigranen Elemente auf. Zwergenkunst war das keinesfalls. Vielleicht elfisch, vielleicht… Konnte es sein, dass sie nach dem Diadem der Seherin suchte? Fragen über Fragen. Friega zog aber auch so Interesse auf sich. Grimrok, Schmied der Garde und ebenfalls Zwerg schien sehr angetan von der fremden Zwergin. Er selbst hatte auch noch nichts von Grimsvötn oder einer Königin gehört und die beiden zogen sich bei jeder Gelegenheit zurück, um sich über ihr Volk auszutauschen.

Die Alchemisten hatten inzwischen damit begonnen, Laros in die Grundkenntnisse der Alchemie einzuweihen. Die Gardisten trainierten fleißig weiter und ich nutzte die Gelegenheit, ein paar der Gardisten in Einzelgespräche zu ziehen und im Vertrauen für sie da zu sein. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Eckarius gemeinsam mit ein paar anderen Gardisten den Inquisitor aktiviert, nachdem im vergangenen Winter die Götter so aktiv gewesen waren. Zwar war die Aussage, dass ich für die anderen da sein wolle und mir ihr Vertrauen wichtig sei nicht gelogen, aber mir lag vor allem daran das Komplott aufzulösen. Gleichzeitig zog ich Dilah ins Vertrauen und bat sie ein wenig mit zu horchen, was die Leute, die bei mir waren zu erzählen hatten. Vertrauen war wichtig, aber es hatte mich bereits schon einmal in eine schwierige Situation gebracht und so hatte ich dieses Mal Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Das einzige was ich herausfand war aber, dass Ulfric wohl daran beteiligt gewesen war. Dieser war jedoch leider im Sommer verstorben, so dass ich ihn nicht mehr zur Rede stellen konnte. Immerhin hatte ich mit Eckarius soweit alles klären können.

Auf dem Boden fand ich ein Pergament und als ich es aufhob, erkannte ich die Zeichnung des Diadems, die die Zwergin mir zuvor gezeigt hatte. Ich steckte die Skizze ein und ging zu Sedrick und den Offizieren, um sie an meinen Überlegungen bezüglich der Elfen teilhaben zu lassen. Ich beschloss noch mehr über Friega und ihr Volk herauszufinden. In einem Gespräch mit ihr kamen wir auf das Thema der Götter. Ich war begeistert und irritiert zugleich, dass sie Ur nicht nur kannte, sondern auch ihren Gott nannte. Die Verbohrtheit der Zwerge war mir ja inzwischen wohlbekannt und so wunderte es mich auch dieses Mal nicht, dass Friega darauf bestand, dass Ur der einzig wahre Gott war. Allerdings waren mir ihre Argumente völlig fremd. Ur wäre der einzige Gott, der sich nicht aus dieser Welt zurückgezogen habe. Seine Eltern und seine 10 Geschwister hätten dies getan. Wir diskutierten lange, aber leider kannte sich Friega nur mit Ur aus. Über die anderen Götter wusste sie nichts zu berichten. Irritierend fand ich, dass sie von 10 Geschwistern sprach. Eridu und Apsu hatten nur 10 Gottheiten erschaffen, nicht 11.

Als wäre all das nicht schon genug, kündigte sich weiterer Besuch an. Die Eingangspforte öffnete sich und ich blickte in ein vertrautes Gesicht. Inquisitor Angmar Gallius Orel war mit seinem Gehilfen angereist. Er hatte in einem Schreiben angekündigt, dass er nach Nebelwacht kommen wolle, weil er großes Interesse an den Geschehnissen um die Elfen habe. Ich hatte allerdings nicht so bald mit seiner Ankunft gerechnet. Er kam genau im rechten Moment, denn mit dem Auftauchen der Zwergin war die Thematik erneut in den Vordergrund geraten. Ich geleitete den hohen Besuch zu unserem Kommandanten und zog mich dann zurück. Bald schon merkte ich, dass ich müde wurde und so begab ich mich zurück in meine Gemächer.

Als ich zu mir kam, saß ich gefesselt, in meiner Schlafgewandung auf einem Stuhl. Der Inquisitor stand vor mir und alle um mich herum starrten mich an. Es war erneut geschehen. Im Schlaf hatte wieder etwas unbekanntes Besitz von mir ergriffen und mich gesteuert. Dieses Mal hatte ich wohl vor den Inquisitor aufzuhalten und hatte sogar meinen Dolch gezückt. Ich war fassungslos. Arcanns Medaillon, das er mir auf dem Konvent angefertigt hatte, hatte bisher immer gewirkt und auch heute hatte ich es nicht abgelegt. Zu meinem Glück war der Inquisitor nicht weiter böse auf mich und gemeinsam versuchten wir herauszufinden, was den Einfluss der Macht vergrößert haben könnte. Wir kamen letztlich zu dem Schluss, dass es an Lamastus Medaillon liegen musste. Dieses Medaillon hatte Laros vor langer Zeit bei seiner ersten Ritterprüfung im Wald gefunden. Ich hatte es im Anschluss als Erinnerung mitgenommen. Heute war ein ereignisreicher Tag für Laros gewesen. Der Inquisitor hatte seine Triaprüfung als bestanden gewertet und Elsa aus seinen Diensten als Mündel entlassen. Die Alchemisten-Prüfung war in vollem Gange und die Istar Prüfung schien unweigerlich versagt. Mich hatten all die Ereignisse mitgenommen und so hatte ich vor dem Schlafen das Medaillon herausgesucht und mich an die vielen Momente der Prüfungen zurückerinnert. Der Inquisitor führte einen Zauber aus und konnte unglaublich böse und dunkle Macht in dem Medaillon spüren. Es wurde sofort weggebracht und an einem sicheren Ort verwahrt. Beunruhigt versuchte ich erneut zu schlafen.

Am nächsten Morgen wurde Elsa von Elisabeth befördert. Sie hatte sich inzwischen einiges an heilerischem Wissen erarbeitet und so wurde sie feierlich in der Heilerlanze höher gestuft. Zu diesem Anlass wurde ihr sogar ein neues Heilerbesteck verliehen. Der ganze Saal jubelte und nach ein paar spitzen Worten an Clemens, verschwand Elisabeth wieder und kümmerte sich weiter um die Verletzten und Kranken.

Während die Gardisten auf einem Sondertraining im Wald unterwegs waren, nutzte ich die Zeit, um gemeinsam mit ein paar anderen meine Reisetagebücher zu durchforsten. Dragomir, einer der Alchemisten war weit gereist und weise. Seine Gefährtin Elli war ebenfalls eine große Hilfe bei den Überlegungen. Und schließlich Arcann, der bereits vieles von den Geschehenen miterlebt hatte. Gemeinsam versuchten wir dem Geheimnis des Medaillons auf die Schliche zu kommen. Wir fanden heraus, dass alle seltsamen Begebenheiten in den letzten Jahren während Laros Prüfungen immer auf das Medaillon zurückzuführen waren. Während der Prüfung mit dem Medaillon, hatten Laros und Ulrich Stimmen gehört. Ulfric hatte ebenfalls Kontakt zu dem Medaillon gehabt und war im vergangenen Sommer nicht von Agathas Fluch zu befreien, was ihn letztlich umgebracht hatte. Elsa war im vergangenen Winter unter starkem Einfluss von Norrona gewesen. Es war ungewöhnlich, dass ein Gott so starken Einfluss auf uns ausübte. Wurde dieser Einfluss womöglich durch das Medaillon verstärkt? Denn auch sie hatte das Medaillon damals in der Hand gehalten. Und schließlich mein Schlafwandel. All diese Ereignisse waren auf das Medaillon zurückzuführen und es wirkte, als wolle jemand oder etwas Laros Prüfungen sabotieren. Dragomir warf den Gedanken in den Raum, dass das Medaillon vielleicht ein Gefäß für etwas Böses sein könne und es war nicht schwer zu erraten, wer oder was dahinter stecken könnte – der Hexerzirkel, oder noch schlimmer, Magna.

Als die Gardisten von ihrem Training zurückgekehrt waren, fand ein Schreibkurs statt. Eckarius und Ulrich nutzten die Zeit, um den Leutnants und den Gardisten etwas über Spähberichte beizubringen. Clemens zeigte sein Missfallen, machte dann aber doch widerwillig mit. Es dauerte jedoch nicht lange und merkwürdige Ereignisse begannen. Einzelne Leute konnten plötzlich nur noch schlecht hören oder hatten unerklärbare Schmerzen. Mir wurde plötzlich schwummrig und ich sah alles verschwommen. Als die ersten Leute ohnmächtig wurden, wurde es schnell klar. Wir waren vergiftet worden. Die beiden Alchemisten bemühten sich sofort das Gift zu lokalisieren und zu analysieren, um Gegenmittel herstellen zu können. Dennoch war die ungestellte Frage im Raum, wer uns vergiften wollte. Der Verdacht fiel zunächst auf die Fremden. Friega und Elli wurden verdächtigt, aber auch die beiden Alchemisten. Die Zwergin nahm dies als persönlichen Angriff und war anschließend leider weitaus weniger kooperativ. Sie zählte zu den Hauptverdächtigen und fühlte sich wohl sehr beleidigt. Wir drehten uns im Kreis und keiner wollte etwas mit dem Gift zu tun haben, indes weitere Personen ohnmächtig wurden. Die Alchemisten wurden angewiesen ein Wahrheitselixier herzustellen, das eine Person zwingen würde, nichts außer der Wahrheit zu sagen. Die Vorbereitungen waren langwierig und es war nicht einfach einen so mächtigen und komplexen Trunk herzustellen. Die Quelle konnte inzwischen den Göttern sei Dank identifiziert werden und so gab es zumindest keine weiteren Opfer des Giftes.

Als die Tränke fertig waren, wurden die vier Verdächtigen vor der versammelten Truppe verhört. Sedrick bat sie, das Elixier zu schlucken, um ihn von der Wahrheit ihrer Unschuld überzeugen zu können. Es war erschreckend. Einer der Alchemisten war tatsächlich der Übeltäter. Er hatte sich dazu bereit erklärt Laros Prüfung abzunehmen, um nach Nebelwacht zu gelangen und hatte geplant Sedrick zu töten. Noch erschreckender war jedoch, dass er vom Hexerzirkel beauftragt war. Wie es schien, war der Einfluss des Zirkels weit größer als erwartet, wenn sogar Personen der ehrbaren Alchemistengilde beeinflusst waren. Geifernd und spuckend schrie er und versuchte auf Sedrick loszugehen. Letztlich konnte er jedoch überwältigt und in den Kerker gesperrt werden.

Wenn der Attentäter etwas mit dem Zirkel zu tun hatte, wusste er vielleicht auch etwas über das Medaillon. Ich beschloss, dass es Zeit wurde, den Inquisitor in meine Überlegungen mit einzubeziehen. Dieser hörte sich schweigend unsere Ideen an und wurde dabei immer bleicher. Schließlich erzählte er mir etwas, dass ich noch nicht wusste. Magna hatten vor Urzeiten Geister, Diener seiner Seele, an Objekte gebunden, durch die er Menschen beeinflussen konnte. Die Inquisition hatte in der Vergangenheit viele dieser Objekte geborgen und mittels eines aufwendigen Rituals zerstört. Nun vermutete er, dass Lamastus Medaillon eines jener Objekte sein könne. Das schwierige dabei war, dass diese Rituale schon seit Jahrzehnten nicht mehr durchgeführt wurden und kein lebender Inquisitor mehr wisse, wie man dieses durchführen müsse. Dazu kam, dass ein solches Ritual nur an bestimmten Orten möglich sei und bisher auf Saltan kein solcher Ort gefunden worden sei. Als ich das hörte, fiel mir eine Geschichte ein, die Friega erzählt hatte. Sie hatte einen alten Wildlingsschamanen zu einer Stätte begleitet, wo er angeblich einen Fluch brechen wollte. Diese müsste dann wohl nördlich von Nebelwacht liegen. Sedrick und der Inquisitor beschlossen, die Zwergin erneut in ein Gespräch zu bitten und ich wollte mich zurück ziehen, als erneut ein Fremder auftauchte. Fremd war in diesem Fall mehr als zutreffend. Seine Gewandung wirkte völlig unpassend mit grellen Farben und einem lächerlich spitzen Hut. Er stellte sich als ein Abgesandter des Reiches Sinla vor und so war Sedrick erneut eingespannt. Ich begab mich zu meinen Kameraden.

In den Hallen wurde indes gefeiert, dass man den Übeltäter überführt hatte. Elli war nicht nur die Begleitung des sozusagen guten Alchemisten. Sie war darüber hinaus auch eine begnadete Tänzerin und animierte die Anwesenden mitzumachen. Einige packten Instrumente aus und schon bald war der Saal gefüllt von schönen Klängen, wehenden Tüchern und schwingenden Hüften. Eah musste entzückt sein. Es wurde noch besser, denn in Absprache mit den fleißigen Künstlern, führten wir die Schöpfungsgeschichte vor. Ich las aus meiner Abschrift der heiligen Schriften, während Trommeln, Melodien und Tanz die Geschichte untermalten und darstellten. Es war ein Fest! Zu meinem Entzücken, nahmen auch all unsere Gäste daran teil.

Am Abend konnten Verhandlungen mit Friega getroffen werden. Ihr Unmut war inzwischen besänftigt worden und die Stätte von der sie gesprochen hatte, erweckte die Hoffnung, es könne eine jener Ritualstellen sein. Sie bot uns an, uns dorthin zu geleiten, wenn sie sich auf den Rückweg zu ihrer Königin machen würde. Im Gegenzug erhielt sie das Angebot den langen kalten Winter auf Nebelwacht zu bleiben. Auch Dragomir Müller, der Alchemist, sowie seine Begleiterin Elli wurden herzlich eingeladen über den Winter zu bleiben. Auf diese Weise haben wir trotz der Gefahren und der Feinde auch neue Verbündete und Freunde gewonnen.