In der geheimen Bibliothek

– Reisetagebuch von Bruder Fahlon –
Priester des Tempels zur Gottheit Martu in Sonnengrad,

Hauptstadt des Kaiserreiches Drea
und Chronist der Garde

Jahr 19 L.R.

Ich war gespannt. Es war ein schönes Gefühl wieder zurück in Sonnengrad zu sein. Die vertrauten Straßen und Marktplätze, die Häuser des Adels, Apsus heiliger Brunnen, die Bibliotheken, der Palast des Kaisers und natürlich der Tempel der Götter. Ich hatte eine Schlafstätte im Tempel zu Gottheit Martu, wo ich meine Ausbildung gemacht hatte. Es fühlte sich an wie zu Hause, als ich durch die Tempelanlage schritt und meine Brüder in den Gärten beten sah. Über zwei Jahre war es nun her, dass ich den Tempel verlassen hatte und mit der Erlaubnis des Erzpriesters nach Saltan aufgebrochen war. Der Tempel hatte sich nicht verändert und es erfüllte mich mit Glückseligkeit die vertrauten Gesichter und Mauern wieder zu sehen. Unter den Gesichtern waren auch viele neue, vermutlich Lehrlinge, die wie ich vor langer Zeit, ihren Weg zur Priesterweihe bestritten. Erzpriester Phileus empfing mich in seinem Zimmer oben im Turm. Er hatte sich kein bisschen verändert. Die vertrauten furchigen Gesichtszüge des alten Mannes strahlten immer noch diese herzliche Wärme und Freude aus. Wir unterhielten uns lange und ich hatte viel zu erzählen. Schließlich teilte er mir mein Schlafgemach zu. Ich durfte mich in einem Schlafsaal mit 5 anderen Priestern zur Ruhe begeben. Leider kannte ich keinen der fünf, aber sie waren sehr herzlich und fühlte mich wohl.

Am nächsten Morgen begab ich mich zum vereinbarten Ort. Der Inquisitor Angmar Gallius Orel erwartete mich bereits. Ich folgte ihm in den Gebäudekomplex und wir betraten die größte Bibliothek, die ich je gesehen hatte. Regale, soweit das Auge reichte, vollgestopft mit Büchern und Schriftrollen. Ich war völlig fasziniert. Wir durchquerten die Bibliothek und gingen durch eine schwer bewachte Tür. Soldaten standen regungslos an beiden Seiten des Durchgangs und musterten mich abschätzend. Der Inquisitor wechselte ein paar leise Worte mit ihnen und sie ließen uns passieren. Ich war beeindruckt. Die beiden strahlten eine atemberaubende Würde und Stärke aus. Gerüstet mit dem vermutlich besten, was die Garde zu bieten hatte, musste es sich dabei um die sagenumwobenen Sondereinheiten handeln, die dem Kaiser direkt unterstanden. Wir gingen Treppen hinab und begaben uns in die geheimen und verschlossenen Räume unterhalb der Bibliothek. Ich war überrascht wie streng und geregelt die Abläufe hier waren. Überall standen die beeindruckenden Wachen und die vergleichsweise kleine Bibliothek war nur spärlich beleuchtet und leer. Ein wundervoller Geruch nach alten Büchern und Pergamenten lag in der Luft. Ich musste all meine Habseligkeiten abgeben und durfte den Raum nur unbewaffnet betreten. Nicht mal mein Notizbuch durfte ich mitnehmen. Der Inquisitor musste mir mein Missfallen angesehen haben, denn er erklärte mir, dass innerhalb der Bibliothek Utensilien für Notizen zur Verfügung stünden. Ich war beruhigt, denn sonst hätte ich mir wahrscheinlich viel merken müssen.

Er schloss die Gittertür auf, die mich von diesem interessanten Ort trennte und ich wurde in den Raum geführt. Meine Zeit in dieser Bibliothek war nur begrenzt und ich war gespannt, was mich erwarten würde. Zu meiner Verwunderung durfte ich aber nicht die Bücher lesen. Stattdessen gingen wir weiter, an den gefüllten Regalen vorbei und um eine Ecke. Dahinter war ein weiterer abgeschlossener Teil. Vor der Tür musste ich einen Eid ablegen, dass ich alles, was ich hier erfahren würde nur dazu nutzen würde, dem Kaiserreich zu dienen. Er erklärte mir, dass in diesem Bereich der Bibliothek geheime Schriften lagerten, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und, dass dies auch seinen Grund habe. Als Inquisitor würde er mir erlauben Einsicht in die Schriften zu nehmen, aber ich müsse damit rechnen, immer mal wieder überwacht zu werden. Ich willigte ein und schwor einen Eid auf die Götter und mein Leben.

Der Inquisitor schloss die Tür auf und ich durfte unter Aufsicht die Schriften lesen und mir Notizen machen. Er stellte Wachen ab, die mich beaufsichtigen sollten und nach Ablauf der Zeit nach draußen geleiten sollten und verabschiedete sich anschließend. Ich betrachtete das Regal in dem weitaus kleineren Raum, das vollgestopft war mit Büchern und Pergamenten. Ein Buch fiel mir schnell ins Auge und irritierte mich. Es stand zwischen den anderen, aber es sah unglaublich alt und mitgenommen aus. Auf seinem Rücken erkannte ich das Zeichen Dreas und …. Wellen! Ein Buch des Pantheon! Ich hatte meine Lektüre gefunden. Eifrig, dennoch vorsichtig zog ich das staubige Buch aus dem Regal und begann zu lesen.

Das Buch war beeindruckend. Ich fand alle die Geschichten und Gebete, die ich aus den heiligen Schriften kannte. Die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte über Luitwick, all die Texte, die meine Zeit im Tempel geprägt hatten. Es fehlten jedoch einige Seiten. Teilweise waren die Seiten beschädigt oder unleserlich. Beeindruckt stellte ich fest, dass die wahren heiligen Schriften umfangreicher sein mussten, als die Variante, die allgemein bekannt war. Ich fand tatsächlich auch ein paar mir unbekannte Textstellen und machte mir eifrig Notizen. Ich frage mich heute noch, warum das Buch vor der Öffentlichkeit verschlossen liegt und welche Geheimnisse es wohl einst beinhaltete…